04.04.2009

Garden Of Eden


Alice Coltrane - Journey In Satchidananda

Jazz ist Nischenmusik. Und in dieser Nische gibt es womöglich hunderte kleiner Extranischen, die sich jeder für sich selbst eingerichtet hat. Das ist eben der Nachteil einer selbsternannten Elite: Konsens wird ganz schwierig. John Coltrane ist vielleicht einer, Miles Davis sowieso. Wer danach Gemeinsamkeiten finden will, muss an vielen Türen klingeln. Was sich bis zu dieser Stelle wie ein mies geschriebener Focus-Artikel zum Thema "Klopapier beidseitig benutzen, hot or not?" liest, ist in Wahrheit aus einer einzigen Frage entwachsen: warum ist Alice Coltrane derart off the map? Ist es das Lennon/Ono-Prinzip, die verhasste Ehefrau an der Seite eines musikalischen Giganten? Die Zeit schrieb anlässlich ihres Todes am 12.Januar 2007, ihre opulente, orchestrale Anlage sei wohl "zu sentimental, zu überladen für die klare männliche Linie der Improvisationskunst.". Tatsächlich sind Ihre Alben aus den späten sechziger Jahren und den frühen Siebzigern eine Abkehr vom mehr oder minder traditionellen Jazzkanon, der großen Wert auf eine gewisse Wendigkeit, eine Virtuosität legt. Sie bewegte sich nicht nur musikalisch mit ausufernden Sounds und einem dichten Klangteppich in die Fläche, sie schenkte ihrem Jazz mehr und offensichtlichere Spiritualität und machte ihn so wärmer und umarmender. "Journey In Satchidananda" ist diesbezüglich ein sehr herzliches, freundliches Beispiel.

Aufgenommen im Dezember 1970, versammelte Alice einige Stars der damaligen Zeit um sich: am Bass spielen Charlie Haden und Cecil McBee, Rashied Ali sitzt hinter dem Schlagzeug und Pharaoh Sanders, der sicherlich nicht ohne Grund eine "Featuring"-Extraerwähnung auf dem Cover erhielt, am Sopransaxofon. Hinzu kommen Tulsi (Tamboura), Vishnu Wood (Oud) und Majid Shabazz an "Bells & Tambourine". "Journey In Satchidananda" ist damit der Nachfolger zum unglaublichen "Ptah, The El Daoud" (aufgenommen im Januar 1970) und entwickelt den Sound folgerichtig einen oder gar zwei Schritte weiter. Wo auf dem Vorgänger noch Querverbindungen zum modalen Jazz der sechziger Jahre zu hören waren, und sei es nur durch das konventionelle Setting hinsichtlich der Instrumentierung, ist das folgende Album musikalisch flächiger, sanftmütiger, versöhnender. Dennoch: "Journey In Satchidananda" wäre ohne "Ptah, The El-Daoud" vermutlich nicht möglich gewesen. Die Wurzel...die Quelle, aus der sich dieses Album ergießt, ist deutlich zu hören. 

Besonders die zweite Seite mit den beiden Longtacks "Something About John Coltrane" (mit einem ergreifenden Cecil McBee) und dem fantastischen "Isis And Osiris" ist mir mehr als nur eine Erwähnung wert. Puristen mögen die Nase rümpfen und angesichts des dicht surrenden Tambouranebels, Coltranes Harfe, der fernöstlichen Einflüsse und der allgegenwärtigen glückseligen Harmonie im Oberstübchen das Wörtchen Kitsch zusammenbasteln, aber sie könnten nicht falscher liegen: Coltranes Spiritualität manifestiert sich eben nicht nur im reinen Klang. Sie ist beinahe stofflich greifbar, sie spricht, sie kommuniziert, auch ohne Worte. Sie ist von Liebe und Verständnis getrieben. Das ist aufrichtig und das muss so sein. 

Ein Seelenkosmos von Königen. 

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