16.05.2008

Nein, Diese Marimba...!



Ich wollte schon lange ein paar Sätze über dieses Album schreiben. Das SF Jazz Collective ist nämlich über Umwege für meine nunmehr seit drei Jahren anhaltende Jazz-Leidenschaft verantwortlich, und das war ursprünglich gar nicht so gedacht. Es war mal wieder ein Blindkauf, und ich hatte im Grunde keine Ahnung, wofür ich hier Geld ausgegeben hatte. Die Scheibe stand im "Electronica"-Regal des örtlichen Blödmannladens, hatte ein buntes, psychedelisches Cover, auf dem (unter anderem) das Wort "Jazz" stand. Ich zählte eins und eins zusammen und erwartete wohl einen den offensichtlichen Gegebenheiten entsprechenden Stilmischmasch, vielleicht etwas in der Jazzanova-Liga, zumal ich wenige Tage zuvor deren "In Between" kaufte und recht angetan war.

Als Teenager schaute ich nachts, nach dem Kneipenbesuch und vor dem Tiefschlaf, gerne noch ein wenig Fernsehen und immer wenn auf 3Sat vornehmlich alte, schwarze Männer Jazz spielten, blieb ich am Ball und war umgehend wieder hellwach (und nüchtern). Ich hielt nie nach solcher Musik ernsthaft Ausschau, in erster Linie, weil ich keinen blassen Dunst hatte, wo und wie ich danach suchen sollte. Aber ich war schon damals Feuer und Flamme.

Als die CD des von Joshua Redman angeführten Kollektivs in den Player schnurrte und ich gespannt darauf wartete, was ich mir da zusammenkaufte, und die ersten Marimba-Klänge von Bobby Hutcherson erklangen, die "Lingala" einleiten, hatte ich einerseits die Platte schon nach wenigen Takten ins Herz geschlossen und andererseits endlich einen Ansatzpunkt gefunden, wie ich an solche Musik komme. Ich hatte Namen, Songtitel und erstmals einen kleinen Schimmer von dem, was es da draußen noch geben könnte. Ich kannte zu dieser Zeit noch keinen Ornette Coleman, dessen Kompositionen "Peace", "When Will The Blues Leave" und "Una Muy Bonita" auf dieser Platte interpretiert werden, ich kannte keinen Joshua Redman und seinen Vater schon gleich gar nicht und keinen Bobby Hutcherson, der mit "March Madness" vertreten ist. Dennoch: ich war so glücklich.

Von hier aus entstand eigentlich alles. Heute kenne ich Bobby Hutcherson, Dewey Redman, Ornette Coleman und viele, viele mehr. Heute ist das Entdecken von alten Jazzplatten ein großes Abenteuer, das Hören derselben manchmal ein genüssliches Abtauchen, manchmal ein irrer Ritt. Immer ist es inspirierend.

So gesehen habe ich dieser Platte einiges zu verdanken, aber auch davon abgesehen ist dieses Debut eine launige Angelegenheit. Das erwähnte "Lingala" (Miguel Zenón) ist mittlerweile sicherlich eines meiner liebsten Jazzstücke, der Beitrag von Pianistin Renee Rosnes "Of This Day's Journey" ein gefühlvolles, sich prächtig entwickelndes Stück Modern Jazz, in dem die Kanadierin sich als wieselflinke und beseelte Musikerin zeigt, während vor allem die Coleman-Interpretationen, allen voran "Peace", nahezu perfekt den spröden Charme der Kompositionen einfangen und die trotzdem mit einiger Leichtigkeit in diese, ja, man darf es ruhig aussprechen, Big Band-Formation eingefügt werden. Ich empfinde es als durchaus respekteinflößend, wenn man Coleman-Songs erkennt, ohne zuvor das Original gehört zu haben. Man weiß einfach, dass diese kauzige Art, dieses wie-auf-stelzen-laufen nur von ihm kommen kann.

So gab also das San Francisco Jazz Collective den Startschuss in meine Jazzkarriere. Noch heute kehre ich gerne an diesen "Ursprung" zurück...für mich ist es eine ganz besondere Platte.


Das Debut des SF Jazz Collective ist im Jahre 2005 auf Nonesuch erschienen.

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