11.12.2007
The Lips That Ate Nebraska
Es ist nicht von der Hand zu weisen: ich habe schon so einige musikalische Leichen im Keller, von denen ich mal mehr, mal weniger stark hoffe, dass sie niemals ans Tageslicht gezerrt werden. Meine Vorliebe für einige Hair Metal Bands der achtziger Jahre muss beispielsweise nicht unbedingt via eines Blogeintrags in die Öffentlichkeit hinausposaunt werden, das Faible für die Progressive Rock-Sensation Spock's Beard hingegen kann ich ruhigen Gewissens vertreten.
Ich könnte mir vorstellen, dass der ein oder andere Leser spätestens beim Begriff "Sensation" das Schmunzeln begann (so wie die jungen Leute von heute über die alten Leute von gestern schmunzeln, wenn herauskommt, dass die alten Säcke mal Nirvana für den heißesten Scheiß unter der Sonne hielten), aber die Band um Alleskönner Neal Morse war ab ihrem ersten Album "The Light" aus dem Jahre 1995 sowas wie die Lichtgestalt des bis dato gnadenlos am Boden liegenden Genres, und die folgenden vier Alben "Beware Of Darkness", "The Kindness Of Strangers", "Day For Night" und (mit kleinen Abstrichen) "V" zementierten diesen Status sogar noch mit Superkleber metertief ins Erdreich. Dabei waren Spock's Beard keine Innovatoren, eher Wiederentdecker. Allen voran entdeckte Songwriter Morse die alten Yes-, Genesis- und Gentle Giant-Platten wieder, besorgte sich eine Begleitband, die an guten Tagen alles und jeden an die Wand spielen konnte (und es gibt Stimmen, die besagen, dass Spocks's Beard bis ins Jahr 2001 hinein nicht einen einzigen schlechten Tag hatten) und schrieb Songs, die - Pardon für die Euphorie - schlicht zu gut waren, um wahr zu sein. Die größtenteils überlangen Kompositionen waren vollgestopft mit vertonten Sahnebonbonmelodien, die mir bis heute eine Gänsehaut bescheren. Die Band platzte förmlich vor Spielfreude; ihre demonstrative Lässigkeit und Unbeschwertheit hievten die Tracks auf eine Ebene, auf der einem nichts mehr anderes übrig blieb, als sich mit einem seeligen Lächeln im Gesicht zurück zu lehnen und sich einfach nur noch hin zu geben.
Die Frage nach dem stärksten Album der Band kann ich bis heute nicht beantworten, allerdings tendiere ich in letzter Zeit immer vehementer zur zweiten Veröffentlichung "Beware Of Darkness". Wenn ich heute noch eine Platte von ihnen auflege, ist es meistens jene aus dem Jahr 1996, und auch hier bleibe ich die definitve Antwort auf das "Warum?" schuldig. Vielleicht ist es der dunkle Charme des Titeltracks (eine George Harrisson-Coverversion) und des 17-minütigen Schlusspunkts "Time Has Come", vielleicht das unfassbar hoffnungsvolle "The Doorway", vielleicht aber auch die Übernummer "Walking On The Wind", bei dessen Liverperformance ich im Offenbacher MTW im Januar 1997 tatsächlich dachte, ich hätte nun das Licht gesehen. Und das möchte ich ausdrücklich nicht als Redewendung verstanden wissen, ich sah es tatsächlich.
Dass Neal Morse beim frühmorgendlichen Joggen eben jenes Licht sah und daraufhin die Band verließ ("And HE said to me: leave Spock's Beard!"), ist gemessen an der Qualität des letzten gemeinsamen, arg farblosen Konzeptalbums "Snow" (2002) zu verschmerzen. Dass es seitdem aber weder Spock's Beard noch Morse nicht einmal annährend schafften, die Magie des Bartes ein zu fangen, stimmt mich in schwachen Momenten dann doch so ein ganz klein bisschen traurig. Andererseits: ihre ersten fünf Studioalben bleiben so oder so - wenigstens für mich - unerreicht. Und das kann dann auch ruhig so bleiben.
"Beware Of Darkness" von Spock's Beard ist Im Jahr 1996 auf Inside Out erschienen.
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1 Kommentar:
"Beware" ja übrigens auch die einzige Platte, die ich ab und an noch mal ganz gerne von ihnen höre.
Gruß aus Ehrenfeld,
#.
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