04.01.2012

2011 #14 - Frank Bretschneider - Komet


Nach Bretschneiders einschneidendem "Rhythm"-Album aus dem Jahr 2007 hatte ich den Mitgründer des Raster-Noton Labels ordentlich aus den Augen verloren und ich kann nicht sagen, dass das vollkommen unabsichtlich geschehen ist. Da zeigt sich wieder mein verknotetes Hirn: wenn mich ein Werk so fasziniert, wie es "Rhythm" seinerzeit getan hat (und de facto sogar mit jedem neuen Durchlauf weiterhin tut), dann erwarte ich mittlerweile und folgerichtig einen Abstieg beim Nachfolger. Eine Enttäuschung also, die ich mir ersparen will. Wird man so komisch, wenn man älter wird? Ich kann mich nicht daran erinnern, vor 15 Jahren bereits so gedacht zu haben.

Ich muss in diesem Zusammenhang ebenfalls zugeben, dass ich Bretschneiders neuen Kometen nur deshalb auf die Schliche kam, weil ich etwa zur Jahresmitte 2011 unsagbar große Lust auf frische und coole Technoalben hatte, aber bei meiner Suche nur wenig (=gar nichts) Passendes finden konnte. Das Albumformat im Techno ist ja auch so eine Sache für sich - seitdem sich dieser halbgare Autorentechno ("Ein angesagter Technoproduzent vermeint angesichts seines ersten Albums, Vielseitigkeit demonstrieren zu müssen." - Spex) so windelweich in die Raveköpfe gespielt hat, ist so manch hippe Mogelpackung kaum noch zu ertragen. In meiner Verzweiflung ob der garstigen Suchergebnisse gab ich dem aktuellen "Komet"-Album also seine Chance und war erstaunt: Bretschneiders berüchtigter Pixelsound wurde nicht eingemottet, aber er wurde gepimpt - und zwar ausgehfertig für den Club. Damit hat der Berliner den fragmentarischen Weg seines "EXP"-Projekts aus dem Jahr 2010 zugunsten des Breitbandgrooves verlassen und dickt die skelettartigen Funkblitze mit einem tief pumpenden Rauschebass ein, was Tracks wie "Flutter Flitter" oder "Twisted In The Wind" einen unwiderstehlichen Rhythmus entwickeln lässt - meilenweit vom Minimal-Allerlei seiner Kollegen entfernt. Eine Beobachtung, die von einem Magazin wie dem unsäglichen Musikexpress auch mal ganz lässig erwartbar gewesen wäre, stattdessen erwähnen sie's gleich im berüchtigten Einleitungssatz. Warum besprechen die eigentlich elektronische Musik? Ich schreibe doch auch nichts über usbekischen Gangsta-Folk-Pop.

Frank Bretschneider geht immer noch so brilliant und verschachtelt wie eh und je vor, was es nachwievor höchstinteressant macht, seinen Tunes durch die Nacht zu folgen - auch wenn ich das Erweckungserlebnis von "Rhythm" schon hinter mir habe. "Komet" ist sexy und modern, dabei frei von Kompromissen und ohne jedes Anzeichen eines Ausfallschritts in Richtung des Schlafzimmertechnos. Ich bin wieder - und immer noch: begeistert.

Erschienen auf Shitkatapult, 2011.

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