18.01.2012

2011 #12 - Sharon Jones & The Dap-Kings °° Soul Time!


Das Jahr 2011 schrieb so manche Musikergeschichte, die so beeindruckend schön und märchenhaft war, dass es den eher zynischen Zeitgenossen so ganz und gar ausgedacht und unmöglich erscheinen mag. Zumal es gerade beim US-amerikanischen Daptone-Label gleich zwei Mal geschah: nicht nur der großartige Charles Bradley, der es vom James Brown-Double auf die großen Bühnen der bekanntesten Jazzfestivals geschafft hat, auch die 55-jährige Sängerin Sharon Jones erlebt nach Jahrzehnten der Zurückweisung und der Erfolglosigkeit endlich die Sonnenseite des Musikgeschäfts. Mit dabei sind die Dap-Kings, eine bestens geölte und fantastisch aufspielende Band, die bereits Großteile des Amy Winehouse-Albums "Back To Black" einspielte.

Ihr "I Learned The Hard Way"-Album aus dem Jahr 2010 begann plötzlich kommerziell erfolgreich zu sein und, selbst wenn noch nicht durch, dann aber wenigstens an die Decke zu gehen. Wozu der Vorgänger "100 Days, 100 Nights" noch über drei Jahre benötigte, schaffte "I Learned The Hard Way" in glatten vier Monaten: die 100.000 verkauften Einheiten waren geknackt. Die Erfolgsgeschichte in den kommenden Monaten, unter anderem gab es den Ritterschlag von Prince, der die Band zu mehreren Shows als Supportband einlud (und darauf bestand, mit Jones ein Duett zu singen), führte dazu, dass Daptone eilig eine Veröffentlichung nachschieben musste, um das Feuer am Köcheln zu halten. "Soul Time!" ist folglich kein neues Studioalbum mit neuen Songs, sondern eine Zusammenstellung aus Klassikern der furiosen Livesets der Band. 12 Songs, die entweder noch nie auf einem Tonträger oder lediglich auf mittlerweile ausverkauften 7-inch Singles erschienen.

Man kann über das Daptone-Prinzip, wenn's denn überhaupt eines ist, sicherlich das ein oder andere unschöne Wort verlieren: warum man sich in der bloßen Reproduktion eines Sounds oder meinetwegen eines Gefühls suhlt und warum man immer irgendwelche singenden Rentner vor einer Soulband aufstellt, um sich vollends in die musikalische Steinzeit katapultieren zu lassen. Bon. Nun ist "Soul Time!" in diesen berüchtigten Jahrescharts auf Platz 12 gelandet, will sagen: 's is' mir g'rad egal, wie es der Hesse an sich formuliert. Genauso egal übrigens, wie die Tatsache, dass ausgerechnet ein Compilation-Album in meiner Top 20 auftaucht.

In diesen Songs steckt soviel Energie, Musikalität, Tiefe, Liebe, Charme, Kraft und Euphorie, dass es mir die obligatorische Dose Red Bull ersetzt (oder erspart). Außerdem muss ich mir um die Reproduktion des Lebensgefühls der sechziger Jahre keine Gedanken machen: die Sechziger sind mir höchstens durch die auf Fotos dokumentierten Wasserturmfrisuren meiner Mutter ein Begriff. Und was Prince sagt, ist zumindest bei mir und spätestens seit vergangenem Jahr sowieso Gesetz.

Erschienen auf Daptone Records, 2011.

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