18.01.2012

2011 #11 - Kangding Ray °° Or


Das verbotene Wort gleich zu Beginn, dann haben wir es hinter uns: monolithisch.

Kangding Ray ist der Architekt, ein Puppenspieler der Statik. Einer, der einen Koloss aus Stahl und Beton über die Idee stellt, mit der im normalen Leben alles beginnt. Die Welt steht Kopf und es wird Zeit, dass der Soundtrack ihr folgt - es ist unwirklich, karg, ätzend. Wir verlieren alles. Die Kommunikation liegt am Boden.

"Or" erhebt sich.

Es scheint, als erschaffe Kangding Ray diese Musik jedes Mal aufs Neue, sobald sie zum Leben erweckt wird, und die Überraschung darüber, dass "Or" bei jedem Abtasten eine andere Richtung einschlägt, wird nicht kleiner. Man ist einfach nie darauf vorbereitet, selbst wenn die Intuition zart die Hand zur Verbrüderung ausstreckt. "Or" zementiert Gebirgsmassive in ein von Kratzern und Splittern unterfüttertes Bild. In der Mitte hohl. Oben und unten Leere. Kein Flackern, keine Verwirbelung. Abstraktion. Sand im Getriebe. Marmelade auf Brot.

Die Beats prasseln in Kaskaden in Richtung unendlicher Horizonte; man spürt förmlich, dass sie ein System entdeckt haben, mit dem sie sich nicht nur eigenständig am Leben halten können, sondern sich zeitgleich  weiterentwickeln und eine geradewegs unheimliche Intelligenz kreieren, unkontrollierbar werden. Ein Trugschluss, denn auch wenn Kangding Ray seine Musik an der langen Leine lässt: er ist die Autorität. Er bestimmt Farbe, Charakter und Struktur, er malt die Risse und Falten, er poliert und modelliert. Alles geschieht am lebenden Objekt. Für den Puls und für die Dunkelheit.

Erschienen auf Raster Noton, 2011.

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