05.04.2008

Neues Aus Den Anderen Räumen

Weil es möglicherweise den ein oder anderen Leser interessiert, möchte ich auf ein neues Radioprojekt von Frank Schindelbeck, dem Motor hinter den Seiten Jazzpages und Jazzblogger, hinweisen.

Das Musikportal Laut.de bietet neuerdings die Möglichkeit an, sich eine eigene kleine Radiostation zusammen zu basteln. Frank hat daraufhin das Jazzradio installiert, und vielleicht hat der ein oder andere ja Lust, mal ein Ohr zu riskieren.

Jazzradio


Und wo wir gerade bei Entdeckungen sind: Freund Phirnis schrieb einen schönen Nachruf auf Klaus Dinger, dem am 20.März verstorbenen Gründungsmitglied von NEU! und La Düsseldorf.

Nachruf auf Klaus Dinger


Der Ethik-Schniedel

Mir fiel kürzlich wieder die Polemik "Ein Mann Wird Kälter - Wenn Schniedel auspacken: Über den Erfolgsethiker Hans-Olaf Henkel" von Titanic-Redakteur Stefan Gärtner in die Hände, und ich nehme diesen freudigen Fund zum Anlass, mein "ich-schreibe-nur-und-ausschließlich-über-musik"-Konzept mal schön über den Haufen zu werfen, jedenfalls für den heutigen Tag.

Der Text ist einer meiner liebsten Sternstunden der Titanic und immer, wenn sich die Gelegenheit bietet, lese ich ihn grundsätzlich von Anfang bis Ende durch und stehe dabei laut applaudierend auf dem Schreibtisch. Aus diesem Grund mache ich ihn an dieser Stelle für Euch verfügbar, vielleicht reicht es ja für einen amüsanten Lesespaß in den kommenden Minuten.

"Ich halte die Globalisierung neben Aufklärung und Menschenrechtserklärung für die größte Errungenschaft der Menschheitsgeschichte."




02.04.2008

Ridicule Is Nothing To Be Scared Of

Wenn es nicht so furchtbar egal wäre, dass sich die tattrigen 90er Jahre "Trip-Hop" (Musikexpress)-Rochen von Portishead "wiedervereinigt" (H.Kohl) haben, man müsste fast ein bisschen verärgert darüber sein, dass dieses "erbärmliche Gestümper" (Portishead, "Machine Gun") das Tageslicht erblickt hat. Spätestens bei der Terminator-Melodie zum Schluss hatte ich den schönsten "Lachflash" (Markus Maria Profitlich) seit dem Anblick eines Running Wild Bandfotos von 1998.

(Okay, ist gelogen. Lag schon nach 30 Sekunden unter dem Tisch.)


01.04.2008

Auf Einem Fuß



Als neulich mein Auge über den begehbaren CD-Schrank wanderte, fiel mir eine Platte auf, die ich schon seit längerem nicht mehr hörte. Das trifft sicherlich auf mehrere der dort herumstehenden Exemplare zu, und meine Ignoranz hatte auch ganz bestimmt und irgendwann mal einen Grund, aber mich ließ der Gedanke nicht mehr los: die musst du nochmal hören.

Charles Lloyd ist ein weiterer Musiker, dem ich eigentlich mehr Aufmerksamkeit schenken müsste, aber wie so oft benötigte ich einige Zeit, um mich in neuen, seltsamen Klanguniversen zurecht zu finden. Das heißt übersetzt: ich war anfangs nicht wirklich berauscht von "Sangam", übrigens Lloyds erstes Livealbum für das Münchener ECM-Label. Ich kann aus heutiger Sicht nur noch partiell nachvollziehen, was mich zu diesem Standpunkt brachte, vermute allerdings, dass ich mit den falschen Erwartungen an diese Platte herantrat, und auch das ist ja bekanntermaßen nichts Neues im Hause Florian. Aus heutiger Sicht ist vieles an "Sangam" ganz außergewöhnlich und spannend. Dazu zählt zum einen die Besetzung: Lloyd spielt mit dem zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade mal 28-jährigen Drummer Eric Harland und dem Tablaspieler Zakir Hussain mit zwei Perkussionisten zusammen, was sich auf dem Papier möglicherweise recht spröde liest, auf Plastik jedoch mit irrsinnigen Farben, Funken und Fischbrät überzeugt. Vielleicht flattert vor allem Hussains Solospiel dem ein oder anderen zu weit in die Schnittstelle World Music (für Diskussionen über den Genrebegriff bitte die 110 wählen) hinein, die Erwähnung seines Engagements in John McLaughlins Band Shakti reicht für die Zielgruppe vermutlich aus, um wundervolle Migräneattacken begrüßen zu dürfen. Davon abgesehen möchte man ein ums andere Mal kräftig mit der Zunge schnalzen (oder wenigstens die Hose öffnen): es gibt Momente, in denen sich das Trio förmlich ins Nirwana groovt, vor allem Harland weiß ganz genau, was er hier zu leisten hat. Das Webzine All About Jazz formulierte es in einem ungewohnten Ausbruch wie folgt:"This album captures the three grooviest motherfuckers in the world." und ich möchte ihnen nur ungern widersprechen. Lloyds Spiel hat eine unglaubliche Übersicht, ist hochspirituell und immer auf dem Sprung, immer auf der Suche nach neuen Pfaden. Der 1938 geborene Saxofonist trieb sich zunächst in der Bluesszene um B.B.King herum, bevor er in den 50er Jahren mit Avantgardisten wie Eric Dolphy, Ornette Coleman oder Bobby Hutcherson zusammenarbeitete. Ähnlich wie Sonny Rollins zog sich auch Lloyd zum Teil jahrelang komplett aus der Musikszene zurück und triumphierte in der Folge mit beeindruckenden Comebacks.

"Sangam" ist meines Wissens die erste und bis heute einzige Veröffentlichung des Trios. Aufgenommen bereits im Jahre 2004, ließen die drei Musiker direkt beim ersten Gig einfach mal das Band mitlaufen. Das Ergebnis ist nicht nur bedingt durch diesen Umstand eine mystische, nebulöse Musik. Klar von einer reißenden Spontanität geprägt, aber gleichzeitig auch geerdet und wohlüberlegt. Indes teilt sie ein Schicksal mit vielen anderen "neuen" Jazzplatten: "Sangam" ist mit über 70 Minuten Spielzeit einfach viel zu lang geraten. Vielleicht der einzige Makel an einer berauschenden Platte.

"Value For Money" ist ein Irrtum!


"Sangam" von Charles Lloyd ist im April 2006 auf ECM erschienen.