19.06.2012

Tout Nouveau Tout Beau (3)


Neues im Plattenregal - dem Sommer angemessen heute mit einer Soul- und Arschwackelausgabe.




NICK WATERHOUSE - TIME'S ALL GONE 

Alleine die Verpackung ist in seiner Verneigung vor den großen Jazz-Artworks der 50er und 60er Jahre und in seiner einfach schönen Schlichtheit eine Sensation, der Inhalt scheint dieses Niveau mühelos zu halten: Soul, Jazz, R'n'B, und ein Umriss früher amerikanischer Rock'n'Roll-Ikonen schwappt durch dieses Album. Die beim Artwork angefangene Huldigung setzt sich bei der Produktion fort, und auch, wenn es mir grundlegend nicht schmeckt, das ganze Brimbamborium von "Magnetbändern, alles analog, Mono gemastert, whoah!" aufzuzählen, weil's halt am Ende auch nur eine Pose und damit scheißegal ist und weil davon kein Song besser oder schlechter wird, ist es wenigstens lohnenswert, darauf hinzuweisen, dass "Time's All Gone" tatsächlich wie eine Aufnahme aus den 60er Jahren klingt, und der erst 25-jährige Gitarrist und Sänger aus Südkalifornien seine Songs mit viel Herzblut und Liebe zum Detail aufhübscht. Der Groove ist funky und wieselflink, die Horn-Section bringt eine wilde Ausgelassenheit dazu, und ich hätte jetzt große Lust auf den Lautstärkepegel 11 und eine Apfelkuchenorgie. *krawatte lockert*

Erschienen auf Innovative Leisure, 2012.



  MONOPHONICS - IN YOUR BRAIN  

Ich hatte ja bereits an anderer Stelle auf die Monophonics aus Kaliformien hingewiesen, nun habe ich das Album auf dem Teller liegen und bin zufrieden, weil ich Euch nachweislich keinen Mist erzählt habe. Der einzige Grund, warum ich vor lauter Raserei noch nicht aus dem Fenster gehüpft bin: die Buben lassen es erstens um einiges relaxter angehen als beispielsweise die Labelkollegen von Orgone, und zweitens ist der Hippie- und Rockfaktor beim genauen Hinhören doch deutlicher wahrnehmbarer, als zunächst erwartet. Letzteres liegt vor allem an der Stimme von Sänger und Keyboarder Kelly Finnigan, der mich zuweilen schon arg an klassische Rockröhren erinnert. Es liest sich vielleicht enttäuschender, als es gemeint ist - ich höre die Platte oft und gerne. Vielleicht ist es meine Erwartungshaltung, die mir hier im Weg steht, es wäre nicht das erste Mal. Letzten Endes ist das großartige Soulmusik für den Pilztrip, für Beischlaf auf einem Feld voller Sonnenblumen und für (ausgezogene) Schlaghosen mit Pimmelmuster.

Erschienen auf Ubiquity, 2012.


 

THE GRITS - STRYCHNINE  

Ich wähnte die Band eigentlich schon in den ewigen Jagdgründen. Die offizielle Homepage ist abgeschaltet, auf Facebook hat sich seit drei Jahren nichts mehr getan und die MySpace-Seite ist seit 3.4.2009 verwaist (gut, wessen nicht?). Umso überraschter bin ich, diese um die Ecke segelnde 7-Inch plötzlich in den Händen zu halten. Die Grits haben mit ihrem starken, selbstbetitelten Debut aus dem Jahr 2008 einen Achtungserfolg erzielen können, danach ist offenbar nicht viel passiert. Ich lebe ja in Sachen "Recherche" nicht so wirklich hinter dem Mond, aber die Band scheint wirklich wie vom Erdbeben verschluckt. Dabei hätte der funky Garagensoul-Sound des Vierers aus Brighton beim derzeitigen musikalischen Klima ja gar keine so schlechten Chancen. Der Titeltrack lässt mich vergeblich eine Repeatfunktion bei meinem Plattenspieler herbeiwünschen; aus dem Proto-Punk der Sonics hat die Band einen funkigen, supercoolen, zersetzten Soulstampfer mit sexy-laszivem Gesang geformt, das ist großartig. Auf der Flip kommen mit "(I'd Walk A) Funky Mile" die siebziger etwas mehr in den Vordergrund und spätestens zur ersten Bridge wird's wild und roh und dirty. Was für eine geile Scheibe, mein Geheimtipp für diesen Monat.

Erschienen auf Mocambo, 2012.

Keine Kommentare: