13.05.2010

The Beard Is Out There! - The Kindness Of Strangers

Das erste Album der Band, das die Ernte der überschwänglichen Berichterstattung des Rock Hard-Magazins einfahren konnte und Spock's Beard auf der Landkarte für deutsche Rockfans platzierte. Rock Hard-Schreiber Michael Rensen hatte seit "The Light" einen Narren an dem Quintett gefressen, schmiss (gerechterweise) mit 10-Punkte-Wertungen um sich und feierte Neal Morse schon zu jener Zeit in seiner Prog-Kolumne als den neuen Heiland. "The Kindness Of Strangers" wurde erstmals an exponierter Stelle präsentiert: auf den Dynamit-Seiten des Blattes nämlich, die bis heute die besten Alben eines Monats gesammelt präsentieren. Rensen schrieb und vergab, na klar, die Höchstnote.

Und hier geschah es (vielleicht): Metalfans verliebten sich in Spock's Beard. Und sie taten es in einem Ausmaß, das der Band für die nächsten Jahre ein gutes Stück Erfolg sicherte. Hinzu kamen weitere Lobeshymnen von Musikern, beispielsweise von Dream Theater-Schlagzeuger Mike Portnoy, der Spock's Beard als beste (Prog-)Band zur damaligen Zeit bezeichnete. Folgerichtig wurde die Kapelle von den New Yorkern gleich mehrfach als Supportact mit auf Tournee genommen, und Portnoy gründete etwas später mit Neal Morse, Pete Trawawas (Marillion) und Robin Stolt (The Flower Kings) das All-Star Projekt Transatlantic.

"The Kindness Of Strangers" bot wie gehabt die ergreifendste Musik aller Zeiten, es war manchmal schlicht zu schön, um wahr zu sein. "The Mouth Of Madness", ein durchgeknallter Song-Weirdo mit im warmen Sommerwind segelnden Schwerelospassagen, wurde gar zu einem kleinen Hit, die Monsterballade "June" bringt den nihilistischsten Black Metaller zum hemmungslosen Weinen, "Strange World" ist der vielleicht erste ernsthafte Versuch der Band in AOR-Fahrwassern nach einem Radio-Hit zu fischen, und die beiden Sternstunden "In Harms Way" und "Flow", beide jenseits der zehn Minuten Grenze, schenken dem Album wie schon auf dem Vorgänger dunklere Nuancen und damit ungeheuerlichen Tiefgang. Dazu gab's ungewohnte Riffhärte von Gitarrengott Alan Morse bei "Cakewalk On Easy Street" und dem genannten "The Mouth Of Madness".

"Perfekt" als Prädikat wäre wieder einmal eine bodenlose Frechheit.

Erschienen auf InsideOut, 1997

Keine Kommentare: