CLAMS CASINO - INSTRUMENTALS
Zugegeben, mir fehlt eine Spur, oder gleich eine ganze Autobahn der Phantasie, die es vermeintlich benötigt, sich dieses Beatgewurschtel des US-amerikanischen Knöpfchendrehers Clams Casino mit passendem Wortgewurschtel, also Raps und/oder Stimme ("Hallo 3,40qm, haben Rapper keine Stimmen? Grüße, Eumel" - "Hallo Eumel, Nein.") vorzustellen. Wo wären wir damit eigentlich? Kratzen wir da am leider immer noch aktuellen R'n'B, oder hätten wir damit den nächsten Rap-Superstar, der mit einer Bruttoregistertonne Empathie und Sensibilität die Antithese zu dem ganzen erbärmlichen Entwurf des Gangsta-Raps stellt? Oder hätten wir es gar mit einem weichgespülten Trent Reznor (Tautologie!) kurz nach der Scheidung/Schließung des Fitnesscenters zu tun? Okay, das war fies. Man könnt's ja eigentlich ganz entspannt nachhören: Lil B, The Jealous Guys, Main Attrakionz, Soulja Boy - alle haben sich ihren Beatteppich von Clams Casino knüpfen lassen. Und fickende Hölle: was eine Handvoll Raps mit so einem Song anstellen können.
Wer sich bei den hier zu hörenden Versionen, die ohne Gesang auskommen, nach Struktur und Formeln, nach etwas Handfestem und Vertrautem sehnt, der muss sich also für "Instrumentals" ein klein wenig kopfüber vom Balkon des Strandhotels "Bon Voyage" baumeln lassen und das Hirnkasterl im Känguruhbeutel liegen lassen. Da ist einerseits dieser dreamy-pop Sound, der sich durch das Groovegeschubber schlürft wie ultradickes Sahnesteif, durchaus zielstrebiger als Balam Acabs Unterwasser-Landschaftsbild "Wander/Wonder", gleichzeitig aber auch einen aufschubbernden Durchsatz in dunkle Ecken und Hipstersphären vorführt und daraus etwas entwickelt, das zunächst ein wenig neben der Spur, etwas unwirklich klingt. Soulja Boys "All I Need" könnte problemlos als neueste Tri Angle-Entdeckung durchgehen, und wenn man anstatt Lil B lieber Phil Collins über das nokturne "What You Doin'" hätte singen lassen, wäre das die völlig einleuchtende Hintergrundmusik zu einer Miami Vice-Folge, in der Crockett mit seinem schwarzen Ferrari durch die Nacht fährt, kurz nachdem er einen Korb oder kein sauberes Sakko mehr bekommen hat. Und apropos Tri Angle: die Nachfolge-EP "Rainforest" erschien - surprise, surprise! - genau dort.
"Instrumentals" lebt auf jeder Ebene in der Zwischenwelt: es sind nich nur die Originalversionen, deren überraschende Musikalität und Tiefgang für eine angenehme und phantasievolle Reibung mit den monotonen, sturen Raps sorgen. Es sind auch die ganz urprünglichen Sounds und Beats, die mit viel Weitblick und Leidenschaft für einen kreativen Big Bang ausgetüftelt wurden.
Da hat einer noch was Großes vor.
Erschienen auf Type, 2011.
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