17.02.2012

2011 #3 - The Necks °° Mindset



Bei jedem neuen The Necks-Album stelle ich mir die Frage: wie machen die das bloß? Wie können die nur die Spannung und den Fokus immer auf derart hohem Niveau halten, obwohl die überlangen Tracks - meist besteht ein Album nur aus einer einzigen, etwa einstündigen Improvisation - nicht unbedingt mit Variantenreichtum glänzen; das gilt wenigstens für den großen Entwurf ihres Sounds, während die Details so  massiv sind, dass mein Hirn damit geflutet wird. Das Jazzambient Trio aus dem australischen Sydney hantiert in erster Linie mit einem ausgeklügelten Aufbau ihres Systems, mit Wiederholungen, mit Elementen des Noise. Sie entwickeln eine Idee mit erstaunlicher Präzision, und das praktisch aus dem Nichts. Es ist beinahe eine Spur beängstigend, dass sich am Ende eines Songs das Gefühl einstellt, als ginge er geradewegs wieder ins Nichts zurück.

Und man kann ihm dabei zusehen. Unheimlich.

Seit den achtziger Jahren spielt die Band in derselben Besetzung. Lloyd Swanton am Bass, Chris Abrahams am Piano und Tony Buck am Schlagzeug veröffentlichen seit 1989 ihre Platten mit erwähntem, immer ähnlichem Schema. "Mindset" verblüfft zunächst mit seinem Zwei-Song-Aufbau, der sich offensichtlich an die Vinylversion des Albums anpasst und damit nochmals an Kraft und Spannung gewinnt; es ist übrigens das erste Mal, dass ein Album der Necks auf Schallplatte erscheint. Auch der Einstieg in ihr vierzehntes Studioalbum gerät mit "Rum Jungle" zu einer Überraschung: die Band ist sofort im Spiel und stampft mit einem schnarrendem Puls, den es komplett aus der Taktung gerissen hat, in das nächste Abenteuer. Der Beginn des Stücks erinnert mit seiner Schärfe gar an die weniger galligen Momente der Power Electronics-Pioniere Whitehouse, bevor nach einigen Minuten das Piano für die ersten Harmonie- und Farbtupfer sorgt. Spätestens hier fallen dann auch alle Hüllen: die Konturen, die dieser Sound plötzlich durch minimale Melodie- und Harmonieverschiebungen geschenkt bekommt, bilden innerhalb von Sekunden den Charakter von "Rum Jungle" heraus. Es ist, als entfaltet sich ein Nest, knisternd und glänzend. Ich sehe es förmlich vor meinen Augen. "Daylights" auf der B-Seite ist dann der Knüller: ein zwanzigminütiges, meditatives Jazz-Geraschel, ausgeschnitten aus einem Pilztrip des frühen Brian Eno und verfeinert mit funny Spielereien aus dem elektronischen Bienenstock. Das Piano tastet sich durch sämtliche Auflösungen der Akkorde, suchend und flimmernd suppt der Bass durch zwei Figuren, die sich wie Honig durch das Ohr walzen und das Schlagzeug...ja, dieses Schlagzeug. Ein irrer Ritt auf den dünnen Rändern des Blechs, unaufhaltsam, kakophonisch - und mit strahlender Eleganz.

Erschienen auf ReR/megacorp, 2011.

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