FORBIDDEN - GREEN
Es wird mal wieder Zeit, die Metal-Vergangenheit zu besuchen - aus erfreulichem Anlass, wie ich anfügen möchte. Ich lese nun seit fast zehn Jahren keine Metal-Magazine mehr, Moment: eigentlich lese ich grundlegend nicht mehr, jedenfalls: dass sich das kleine Nischenlabel Night Of The Vinyl Dead dazu entschlossen hat, die beiden Forbidden-Sternstunden "Distortion" aus dem Jahr 1994 und das drei Jahre später erschienene "Green" erstmals auf Vinyl zu pressen und in einer limitierten Auflage von je 500 Stück zu veröffentlichen, ging komplett an mir vorbei. Und es brauchte eine Filiale einer großen und gleichfalls überaus nervigen Warenhauskette, um mich darauf aufmerksam zu machen, die ein Exemplar des letztgenannten Werks also tatsächlich (zu horrendem Preis) im Sortiment führte. Ein paar Minuten mit dem Mitarbeiter auf dem eilig eröffneten Bazar - und ja: ich fühlte mich schlecht dabei - und die Scheibe lag im Körbchen. Ich freue mich riesig und sage artig "Danke!".
"Green" ist das vierte Studioalbum der Bay Area-Truppe und war gleichzeitig für über zehn Jahre ihr letztes Lebenszeichen. Die Metalszene war 1997 über derartige musikalische Kurskorrekturen von alten Helden alles andere als erfreut. Die Jahreszahl hätte ich mir gleichwohl schenken können, denn verändert hat sich seitdem nur wenig. Aber dazu gleich mehr.
Forbidden starteten Ende der 80er Jahre ausgesprochen vielversprechend in ihre Karriere. Das Debut "Forbidden Evil" und das kurze Zeit später folgende "Twisted Into Form" gelten längst als unsterbliche Klassiker des Bay Area-Thrash Metals. Wer die möglicherweise brilliantesten Riffs hören mag, die je eine Thrash Band geschrieben hat, empfehle ich dringends die rasenden Abrissbirnen "Through Eyes Of Glass" vom Debut und "Infinite" vom Nachfolger, die mir auch heute noch regelmäßig die Synapsen durchkokeln. Mit "Distortion" gelang der Truppe ein beeindruckendes Comeback in einer durch Grunge und Alternative-Sounds völlig veränderten Musikwelt. Forbidden emanzipierten sich damit früh vom Thrash, wurden grooviger und dunkler und klangen insgesamt viel moderner als auf "Twisted Into Form", dabei aber überraschenderweise noch härter. Das lag aus meiner Sicht an zwei ganz entscheidenden Faktoren: Erstens, Sänger Russ Anderson hatte im Gegensatz zu seinen Kollegen eine großartige Stimme, er klang geradwegs gemeingefährlich kraftvoll und klar. Andersson schrie nicht, er brüllte nicht - er sang. Und alles, was er sang, klang fantastisch. Period. Zweitens hatten Forbidden zwei überragende Gitarristen an Bord, die gleichzeitig die Hauptsongwriter der Band waren. Tim Calvert und Graig Locicero waren vielleicht das intelligenteste Gitarrenduo des Thrash Metal, wohlwissend, dass ich damit Slayers Hannemann/King- und Exodus' Holt/Hunolt-Duos auf die billigen Plätze verschiebe. Calvert und Locicero schüttelten sich Riffs aus den Handgelenken, an denen nicht nur mein damaliger Gitarrenlehrer schier verzweifelte, wenn Florian mal wieder etwas nachspielen wollte.
Ganz abgesehen von den komplexen Strukturen der Songs, die nicht selten Überlänge aufwiesen, dabei aber praktisch niemals langweilig wurden. Was ausdrücklich auch die Langzeitwirkung betraf.
In den Jahren nach "Distortion" machten immer wieder Gerüchte die Runde, die Band fordere zuviel Geld von Labels, um die nächste Platte aufzunehmen und stehe deshalb kurz vor dem Aus, weshalb ich sie ehrlich gesagt für eine lange Zeit bereits nicht mehr auf dem Zettel hatte. Als im Frühjahr 1997 dann tatsächlich und überraschend "Green" erschien, war ich wieder umgehend Feuer und Flamme. Was für ein Brocken das war! Und immer noch ist! Der just laufende Kopfhörertest verdeutlicht es mit Nachdruck.
Mir fliegt hier ja alles weg!
Diese Riffs sind monumental. Der Einfallsreichtum in den verschachtelten Arrangements und die zupackende Intensität, die von der Band über die gesamte Spielzeit am oberen Level gehalten wird, unabhängig vom Geschwindigkeitsniveau, machen "Green" zu einem sehr anstrengenden Vergnügen. Es ist, als stünde man 50 Minuten lang unter Strom, als müsste man die ganze Zeit in einer Übersprungshandlung mit dem Kopf voran gegen die Wand rennen, um die Energie loszuwerden. Forbidden klangen auf "Green" so modern wie nie zuvor, dabei aber auch so originell wie nie zuvor. Die in den damaligen Reviews oft herbeigezerrten Vergleiche in Richtung Machine Head, Pantera und Sepultura erscheinen heute lediglich als Ausdruck einer allgegenwärtigen Hilflosigkeit. Das war alles zuviel für die Metal-Gemeinde und das konnte man in der panischen Suche nach Schubladen nicht beschreiben. In diesem Zusammenhang sollte man aber durchaus nochmal den Hut (und die Hose) für die Besprechung des Albums von Rock Hard-Chefredakteur Götz Kühnemund lüften, dessen 9-Punkte-Review sich zwar seltsam blutleer und aufdiktiert liest, der aber wenigstens den Kopf für das hinhielt, was kommen sollte: Forbidden wurden von den so furchtbar loyalen Metal-Fans fallen gelassen wie ein aufgeschrecktes Hornissennest im August. Alles viel zu modern. Die klingen ja nicht mehr so wie früher. Wendehälse. Trendreiter.
Eine bereits bestätigte Europatournee wurde angesichts der drastischen Verkaufseinbrüche abgesagt - und das war's dann. So blieb es bis zum Jahr 2010 und dem müde und konstruiert klingenden "Omega Wave"-Comebackalbums dabei: Forbidden verschwanden mit einem der beeindruckendsten Metalalben aller Zeiten in der Versenkung. Und kamen mit einem Abklatsch wieder zurück. Ich verstehe das alles nicht.
Wer offene Ohren hat, der höre. Und zwar "Green".
Erschienen auf G.U.N., 1997.
Wiederveröffentlicht (Vinyl) auf Night Of The Vinyl Dead, 2011.
"Green" ist das vierte Studioalbum der Bay Area-Truppe und war gleichzeitig für über zehn Jahre ihr letztes Lebenszeichen. Die Metalszene war 1997 über derartige musikalische Kurskorrekturen von alten Helden alles andere als erfreut. Die Jahreszahl hätte ich mir gleichwohl schenken können, denn verändert hat sich seitdem nur wenig. Aber dazu gleich mehr.
Forbidden starteten Ende der 80er Jahre ausgesprochen vielversprechend in ihre Karriere. Das Debut "Forbidden Evil" und das kurze Zeit später folgende "Twisted Into Form" gelten längst als unsterbliche Klassiker des Bay Area-Thrash Metals. Wer die möglicherweise brilliantesten Riffs hören mag, die je eine Thrash Band geschrieben hat, empfehle ich dringends die rasenden Abrissbirnen "Through Eyes Of Glass" vom Debut und "Infinite" vom Nachfolger, die mir auch heute noch regelmäßig die Synapsen durchkokeln. Mit "Distortion" gelang der Truppe ein beeindruckendes Comeback in einer durch Grunge und Alternative-Sounds völlig veränderten Musikwelt. Forbidden emanzipierten sich damit früh vom Thrash, wurden grooviger und dunkler und klangen insgesamt viel moderner als auf "Twisted Into Form", dabei aber überraschenderweise noch härter. Das lag aus meiner Sicht an zwei ganz entscheidenden Faktoren: Erstens, Sänger Russ Anderson hatte im Gegensatz zu seinen Kollegen eine großartige Stimme, er klang geradwegs gemeingefährlich kraftvoll und klar. Andersson schrie nicht, er brüllte nicht - er sang. Und alles, was er sang, klang fantastisch. Period. Zweitens hatten Forbidden zwei überragende Gitarristen an Bord, die gleichzeitig die Hauptsongwriter der Band waren. Tim Calvert und Graig Locicero waren vielleicht das intelligenteste Gitarrenduo des Thrash Metal, wohlwissend, dass ich damit Slayers Hannemann/King- und Exodus' Holt/Hunolt-Duos auf die billigen Plätze verschiebe. Calvert und Locicero schüttelten sich Riffs aus den Handgelenken, an denen nicht nur mein damaliger Gitarrenlehrer schier verzweifelte, wenn Florian mal wieder etwas nachspielen wollte.
Ganz abgesehen von den komplexen Strukturen der Songs, die nicht selten Überlänge aufwiesen, dabei aber praktisch niemals langweilig wurden. Was ausdrücklich auch die Langzeitwirkung betraf.
In den Jahren nach "Distortion" machten immer wieder Gerüchte die Runde, die Band fordere zuviel Geld von Labels, um die nächste Platte aufzunehmen und stehe deshalb kurz vor dem Aus, weshalb ich sie ehrlich gesagt für eine lange Zeit bereits nicht mehr auf dem Zettel hatte. Als im Frühjahr 1997 dann tatsächlich und überraschend "Green" erschien, war ich wieder umgehend Feuer und Flamme. Was für ein Brocken das war! Und immer noch ist! Der just laufende Kopfhörertest verdeutlicht es mit Nachdruck.
Mir fliegt hier ja alles weg!
Diese Riffs sind monumental. Der Einfallsreichtum in den verschachtelten Arrangements und die zupackende Intensität, die von der Band über die gesamte Spielzeit am oberen Level gehalten wird, unabhängig vom Geschwindigkeitsniveau, machen "Green" zu einem sehr anstrengenden Vergnügen. Es ist, als stünde man 50 Minuten lang unter Strom, als müsste man die ganze Zeit in einer Übersprungshandlung mit dem Kopf voran gegen die Wand rennen, um die Energie loszuwerden. Forbidden klangen auf "Green" so modern wie nie zuvor, dabei aber auch so originell wie nie zuvor. Die in den damaligen Reviews oft herbeigezerrten Vergleiche in Richtung Machine Head, Pantera und Sepultura erscheinen heute lediglich als Ausdruck einer allgegenwärtigen Hilflosigkeit. Das war alles zuviel für die Metal-Gemeinde und das konnte man in der panischen Suche nach Schubladen nicht beschreiben. In diesem Zusammenhang sollte man aber durchaus nochmal den Hut (und die Hose) für die Besprechung des Albums von Rock Hard-Chefredakteur Götz Kühnemund lüften, dessen 9-Punkte-Review sich zwar seltsam blutleer und aufdiktiert liest, der aber wenigstens den Kopf für das hinhielt, was kommen sollte: Forbidden wurden von den so furchtbar loyalen Metal-Fans fallen gelassen wie ein aufgeschrecktes Hornissennest im August. Alles viel zu modern. Die klingen ja nicht mehr so wie früher. Wendehälse. Trendreiter.
Eine bereits bestätigte Europatournee wurde angesichts der drastischen Verkaufseinbrüche abgesagt - und das war's dann. So blieb es bis zum Jahr 2010 und dem müde und konstruiert klingenden "Omega Wave"-Comebackalbums dabei: Forbidden verschwanden mit einem der beeindruckendsten Metalalben aller Zeiten in der Versenkung. Und kamen mit einem Abklatsch wieder zurück. Ich verstehe das alles nicht.
Wer offene Ohren hat, der höre. Und zwar "Green".
Erschienen auf G.U.N., 1997.
Wiederveröffentlicht (Vinyl) auf Night Of The Vinyl Dead, 2011.
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