24.05.2009

Neunziger (2)


Bad Religion - Recipe For Hate 


Über Bad Religion Platten zu schreiben, mag auf den ersten Blick weder sonderlich originell noch anderweitig gewinnbringend sein. Seit über 25 Jahren werkelt die Band nun schon an ihrem Punkrock-Entwurf ("...what I think is Punkrock"- G.Graffin), und auch wenn ich die alte Leier von "die haben doch eh nur einen Song" mit Schmackes in die nächste Tonne treten könnte, wo nicht müsste, kann ich andererseits nur schwerlich behaupten, die Kapelle gehe mit maximaler Abwechslung vor. Man weiß eben, was man bekommt. Dass ihre Songs seit spätestens 1998 dabei immerhin qualitativen Schwankungen unterliegen, ist gemessen an den Großtaten Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre geschenkt. Dennoch ist die Tatsache bemerkenswert, dass in ihrem stilistisch sehr begrenzten Rahmen mit "Recipe For Hate" im Jahre 1993 eine durchaus ungewöhnliche Platte erschien, die trotz ihres Kontrasts zum sonstigen Oevre weitgehend unterschätzt, wenn nicht übergangen wird.  "Recipe For Hate" ist ein Kind seiner Zeit, was man der Platte mit etwas Abstand geradewegs beeindruckend schnell anhören kann. Vor allem hinsichtlich der Produktion fällt eine zeitliche Zuordnung gar nicht so schwer: die Gitarren dick wie Sirup und verschwommen vor sich hin blubbernd, mit einem Weichzeichner in die Breite gedrückt und mit Feedback in Bob Mould-Sphären schwebend, eine extrem räumlich klingende, massiv im Vordergrund stehende Stimme Greg Graffins und insgesamt eine Soundästhetik, die zur Krönung in 1992er Alternative Rock-Gold getaucht wurde. So klangen Bad Religion nie wieder. Für meine Begriffe ist das klangliche Experiment geglückt und zu meiner großen Überraschung ist "Recipe For Hate" bei Weitem nicht so schlecht gealtert, wie es vielen anderen Alben aus den neunziger Jahren passiert ist.  Auch das Songwriting stellt eine Zäsur zwischen den früheren Klassikern und dem Spätwerk dar. Zum einen gaben sich Bad Religion experimentierfreudig wie nie, öffneten ihren Sound passend zur Hochzeit Seattles für Grunge-Elemente ("Struck A Nerve"), ließen fast schon progressive Strukturen erkennen ("All Good Soldiers") und wagten sich für "Man With A Mission" gar auf Folk und Country-Terrain. Zum anderen klangen selbst die eher klassischen Uptempobrecher wie "Skyscraper" oder der fantastische Titelsong zwar immer noch klar nach Bad Religion, präsentierten sich aber viel durchdachter, gereifter, vielleicht auch abgeklärter. Es war plötzlich nahezu unmöglich, dass einer dieser Tracks auf einem der Vorgängeralben hätte stehen können, allerhöchstens "My Poor Friend Me" erweckt den gefühlten Anschein, ein Überbleibsel der "Generator"-Sessions zu sein. So positioniert sich "Recipe For Hate" rückblickend als (experimentelles) Bindeglied zwischen dem schnellen, unbekümmerten Punkrock eines "Against The Grain" und den späteren, kontrollierteren Alben wie "Stranger Than Fiction" oder "The Gray Race" und ist dennoch viel mehr als das.  Seine eigene Substanz und Relevanz erhält "Recipe For Hate" gerade durch die deutliche Abgrenzung gegenüber den übrigen Bad Religion-Alben und der damit einhergehenden Polarisierung der Fans, die es auslöste. Im Grunde genommen alles klare Kennzeichen für einen Klassiker. So sei es. 

"Recipe For Hate" von Bad Religion ist im Jahre 1993 auf Epitaph Records erschienen.

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