19.07.2014

Sending Transmission - The Tea Party (1)



THE TEA PARTY - Intro

with your arms around me
you're singing softly
and i fade from memories
and move on

Wenn ein Song einer Band zum offiziellen Hochzeitstanz und also -lied auserwählt wird, dann dürfte sich die Überraschung über (m)ein unwürdiges Dasein als entlangwürmelnder Fanboy in überschaubaren Grenzen halten. Tatsächlich besteht das musikalische Fundament unserer nun seit fast zwölf Jahre dauernden Ehe streng genommen aus zwei Bands: die eine heißt Dark Angel, deren Musik die Herzallerliebste zwar nicht vollkommen vorurteilsfrei begegnet, was jetzt schon der Euphemismus des Jahrtausends ist, die aber trotzdem zu einem überwältigend großen Teil dafür verantwortlich ist, dass wir uns damals überhaupt begegneten: der Herr Dreikommaviernull, anno 1999 hauptsächlich im alten Chat des Rock Hard Magazins herumgammelnd, verirrte sich wie viele der damaligen Rock Hard-Insassen auf die Chatseite der mittlerweile eingestellten Frauenzeitschrift Allegra (die älteren werden sich erinnern), um ein wenig herum zu kaspern - und kasperte also an einem bedeutungsschwangeren Tag im Juni 1999 unter dem Pseudonym "Dark Angel" zwischen Latte Macchiato- und New Economy-Flitzpiepen umher. Währenddessen, im Computerraum der Universität Erlangen, war eine junge Dame gerade dabei, ihre sieben Sachen zu packen und nach Hause zu fahren. Nur noch einen letzten kurzen Blick in den ebenfalls unregelmäßig genutzten Allegra-Chat werfen, vielleicht ist ja jemand da, den man kennt. Jetzt kommt der Moment, an dem es selbst für uns und heute noch umheimlich wird: aus zehn verschiedenen Chaträumen schaut die junge Dame ausgerechnet in die Anwesenheitsliste jenes Raums, in dem der spätpubertäre Herr Florian vor sich hin armorphelt, und entschließt sich alleine ob der Anziehungskraft des Namens "Dark Angel" kurzfristig dazu, als Gegenpol unter dem Namen "Blue Angel" ebenjenen Raum zu entern. Die Folge: 15 wunderbare Jahre.

Was zwischendrin liegt: eine Hochzeit im Jahr 2002. Eine Hochzeit von zwei Menschen, die nur ein paar Monate zuvor immerhin noch dachten, dass Heiraten nur etwas für spießige CDU-Wähler sei, die auf spritzige Sektspiele stehen und die Bibel unter dem Kopfkissen liegen haben. Die Lebenssituation half indes bei der Entscheidung: ich lag seit Monaten im Krankenhaus und es war irgendwie klar, dass wir, wenn ich diesen Scheißdreck schon überlebe, im Grunde nur eine Wahl haben. Es erschien plötzlich als das normalste der Welt - allerdings weiterhin ohne die CDU, ohne Anpinkeln und ohne die verdammte Bibel.

Zwei Wochen nach der abschließenden Mammutoperation, bei der zwar kein Mammut, dafür aber die Tumor-Mistsau vollständig und final und ultimativ aus meinem Körper herausgekratzt wurde, standen wir mit 50 Gästen im Standesamt Wiesbaden. Ich sah aus wie ein frisch geschlüpfter Zombie mit Frack und Fliege, aber immerhin einer, der am Abend, zwar unter Schmerzmitteln, aber die machen ja manchmal auch ganz schön viel Spaß, den Hochzeitstanz tanzte. Der Song hieß "These Living Arms" und gespielt wurde er von der "Triptych"-CD von The Tea Party, einem 1990 gegründeten Power-Trio aus dem kanadischen Toronto. Wir hatten das Exklusivitätsrecht, denn niemand der Anwesenden kannte den Song. Das mag jetzt alles schwer nach "Du Guter!" klingen, aber selbst wenn wir uns das nicht alle fünf Minuten immer wieder sagen müssen, ist es bis heute ein ganz besonderes Lied einer ganz besonderen Band für uns.

Eine Band, die in guten Zeiten besser war als fast alles andere.

Mittlerweile sind wir beide zwölf Jahre älter, die Kapelle hatte sich nach dem Album "Seven Circles" im Jahr 2005 aufgelöst, und es zeigte sich, dass man sich auch mit der Auflösung einer ehemaligen Lieblingsband durchaus arrangieren kann.

2012 kamen die drei Musiker, nach dem ein oder anderen Soloalbum und weiteren Bandarrangements, wieder zusammen, veröffentlichten zum feierlichen Anlass gleich mal eine im zweiten Heimatland Australien aufgenommene Liveplatte und haben tatsächlich ein neues Album geschrieben. Als wir uns gestern die erste Single "Water's On Fire" anhörten, ergab sich eine ausufernde Diskussion darüber, ob sich wirklich die Musik, oder doch nur das eigene Leben und die eigene Wahrnehmung verändert - man kann alleine hier herauslesen, dass wir beide von dem ersten neuen Tea Party Track seit neun Jahren nicht wirklich begeistert sind und uns vor Erregung die Kleider vom Leib rissen. Allerdings hatte die Auseinandersetzung darüber auch etwas Gutes: zum einen frug ich mich, warum ich hier noch fast niemals ein Wort über die Kanadier verloren hatte (was sich hiermit nun ändert), zum anderen war es eine schöne Zeitreise in eine wilde, spannende und emotional so überwältigende Zeit.

Da sollte ich mit einer neuerlichen Albumreview-Serie nutzen. Die letzten ihrer Art liegen ja nun auch wieder eine ganze Weile zurück. Stay Tuned. 

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