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19.04.2025

Sonst noch was, 2024?! (4): Inhmost & Owl - Beyond A Moonless Night




INHMOST & OWL - BEYOND A MOONLESS NIGHT


“We are all connected; To each other, biologically. To the earth, chemically. To the rest of the universe atomically.” (Neil DeGrasse Tyson)



Ich bin geneigt, an dieser Stelle von einem "brandheißen Tipp" für alle Ambient-Jünger*innen zu schreiben, aber so brandheiß ist diese im vergangenen Sommer erschienene Platte im Frühling 2025 dann leider auch nicht mehr. Und ich bitte davon abzusehen, mir die zwar berechtigte Frage zu stellen, warum "Beyond A Moonless Night" denn nicht in meiner Top 20 auftauchte, weil ich außer der Feststellung, dass die Konkurrenz nun wirklich groß war, keine passende Antwort ausformuliert habe. 

Inhmost's Simon Huxtable ist auf 3,40qm kein Unbekannter mehr, hatte ich hier doch schon mehrfach auf das außergewöhnliche Talent des britischen Produzenten hingewiesen. Der aus Belgien stammende Pierre Nesi aka Owl kam mir erstmals mit seinem 2021 auf Silent Season erschienene Album "Infinite Horizon" aufs Radar. Die Wege der Herren kreuzten sich in den letzten Jahren unter anderem über Veröffentlichungen auf den Labels re:st und Huinali. "Beyond A Moonless Night" ist die erst Zusammenarbeit der beiden Musiker. 

Ich möchte heute auf dieses kleine Juwel hinweisen, nicht zuletzt deshalb, weil ich die Befürchtung habe, hier könnte ein bemerkenswertes Album in der Flut von Veröffentlichungen schlicht untergehen. Wie eingangs ausgeführt, weiß ich leider, wovon ich spreche. Der US-Amerikanische Musikkritiker Anthony Fantano berichtete vor wenigen Monaten, dass an einem Tag des Jahres 2024 soviel Musik veröffentlicht wurde wie im ganzen Jahr 1989. Welche Auswirkungen die schiere Menge an neuer Musik in Verbindung mit den programmierten Algorithmen sozialer Medien, einer gesunkenen Aufmerksamkeitsspanne und veränderten Lebensrealitäten der Zielgruppe auf Aspekte wie Vermittlung und Einordnung, also auf den generellen Diskurs haben, sehen wir seit einigen Jahren in der immer weiter voranschreitenden Auflösung von ehemals etablierten Medien und Plattformen und damit letzten Endes Diskursräumen, sowie gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen und Standards. Ich bin beispielsweise immer (noch) überrascht, wenn die eigene Recherche zu Musikern und ihren Werken mittlerweile in den meisten Fällen auf den Seiten von Mailorderplattformen endet, stets lediglich kombiniert mit den übernommenen Promotexten der Plattenfirmen. Das ist oft diktiert von den jeweiligen Genres; über das letzte Album von The Cure schreibt natürlich immer noch jede*r, auch mit der Gewissheit, dass die Texte wenn schon nicht gelesen, dann immerhin angeklickt werden. Über Ambientproduktionen gleichermaßen zu lesen und zu schreiben kann hingegen ein bisschen einsam machen. 

Nun ist Einsamkeit ja traditionell eines der großen Markenzeichen auf 3,40qm, und auch das verraten mir sowohl die Zugriffszahlen als auch meine Postingfrequenz auf diesem seit 18 Jahren existierenden Blog, und ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass zwischen diesen beiden Messgrößen ein kausaler Zusammenhang besteht. Neben den viel zu langen, ungelenk formulierten, mit diskussionswürdigem Humor und permanenter Überwärmung versehenen Texten und ihren stilistischen Katastrophen, versteht sich. Und bevor uns allen, und ganz besonders mir, jeden Moment die Tränen in die Augen schießen, lassen Sie mich noch schnell einige Worte zu "Beyond A Moonless Night" verlieren.

Was sich auf diesem Album bereits gleich zu Beginn offenbart, ist der außergewöhnlich immersive Klang dieser Aufnahme. Das ist der erste Anker, den "Beyond A Moonless Night" setzt. Das Eintauchen in dieses Universum ist unmittelbar. Es ist warm und weich, dabei kristallklar und durchlässig. Die sich überlagernden Schichten ihrer Musik öffnen unentwegt neue Räume für Visionen. Ich habe bei der Auseinandersetzung bemerkt, dass die Platte sich ganz hervorragend für die Momente des Zwielichts eignet, für die Augenblicke zwischen Wachen und Schlafen, zwischen Bewusstheit und Intuition. Ich sehe große Vogelschwärme, die in der Dämmerung wie von einer unsichtbaren Entität geführt in Bruchteilen von Sekunden Flugrichtungen wechseln, ich sehe sich in einer sanften Brise wiegenden Palmen, ich spüre die Verbindung und das Miteinander. In "Dusk Settled Over The Mountains" stehe ich mit Lisa Gerrard und Brendan Perry in einer gotischen Kathedrale auf dem Saturn. Das kann eine außerordentlich befreiende, angstlösende Wirkung haben. Dabei hilft es, dass Inhmost und Owl sich viel Zeit für die Entwicklung ihrer Ideen lassen und die Musik behutsam expandieren, ohne dafür die Struktur zu opfern. Hier fließt nichts in Ungewisse, weil jede Bewegung Richtung und Bestimmung hat. 

In funkelnden Astralnebeln zwitschern Vögel. 


 



Erschienen auf Stasis Recordings, 2024.


26.12.2024

Best Of 2024 ° Platz 19: Cigarettes After Sex - X's




CIGARETTES AFTER SEX - X's


"I'm not sure if I'm depressed. I mean, I'm not exactly sad. But I'm not exactly happy either. I can laugh and joke and smile during the day, But sometimes when I'm alone at night I forget how to feel." 
(John Green)

Eigentlich war ja nach dem 2017 erschienenen Debutalbum dieses Quartetts aus Texas alles gesagt. Die Infusion mit dem Betäubungsmittel/Viagra-Mix tropfte stoisch in die Blutbahn, alles war warm und feucht, ich hinterfragte nochmal schnell meine Heterosexualität und kaufte mir gleich drei oder dreißig Stangen Kippen. Wer konnte schon wissen, was der Abend noch bringt? Und: "Non-smokers die every day" (Bill Hicks). 

Was mir hingegen völlig klar war: das Konzept mit diesem maximal vernebelten Morphin-Pop wird kaum länger als jene 46 Minuten vom Debut überleben. Das ist ein One-Trick-Pony, die werden noch eine Platte machen und dann wird's das gewesen sein. 

Was auch immer in den letzten Jahren passiert ist und unter welchem Stein meine Wenigkeit sein Dasein fristete: sowohl die Band als auch der Rest der Welt hatten offenbar eine andere Sicht auf die Dinge. Die Band spielt mittlerweile ausverkaufte Headlinershows in den großen Arenen dieser Welt, und ich muss zugeben, mich von diesem Schock immer noch nicht erholt zu haben. Deswegen hier nochmal in aller Deutlichkeit: WHAT THE FUCKING FUCK?! Ernsthaft und aufgeräumt Über "X's" zu schreiben lohnt sich im Prinzip nicht, denn wer die beiden Vorgänger kennt, kennt damit ziemlich sicher "X's"; dagegen sind selbst AC/DC experimentelle Avantgardisten. Soviel unerträgliche Redundanz kommt mir eigentlich nicht ins Regal, noch weniger auf den Blog und schon gar nicht in die Jahresbestenliste. Nun steht "X's" im Regal, auf dem Blog und auf meiner Jahresbestenliste. 

Mir hat es schlicht den Kopf verdreht. Verstörend betörend.


 


Erschienen auf Partisan Records, 2024.

24.12.2024

Best Of 2024 ° Platz 20: Xenia Reaper - Luvaphy




XENIA REAPER - LUVAPHY


"Nice guys, but absolutely clueless." (Vic Fontaine)


Ein kompletter Blindflug war zunächst das Debutalbum von Xenia Reaper - und ich weiß bis heute nicht, wer sich hinter dieser Produktion verbirgt. Außer einer Handvoll Singles/EPs seit dem Jahr 2022 (u.a. auf XENOPLEX) gibt es praktisch keine Informationen. Ähnlich rätselhaft ist die Musik. In die mal schwerelosen und eisgekühlten, mal mysteriös und tiefschwarzen Ambientflächen reißen heftige Bass-Exzesse und Drum 'n' Bass-Laser tiefe Schluchten, hinzu wirft Reaper unheilvolles Geknister, tiefes Brodeln und flüchtiges Stimmengewirr in diesen wilden, herausfordernden Mix. Unvergessen jener eindrückliche Moment, als mir der erste Bass von "Sued" in die Glieder fuhr und es sich anfühlte, als würden die umgebenden vier Wände zunächst vibrieren und dann kollabieren. 

Vom wilden Gefuchtel mit brechenden Soundartefakten in "Lust05", Stop-And-Go-Jungle-Reminiszenzen mit eingeschalteten Nebelleuchten in "MxB" bis hin zum intensiven Sci-Fi Geballer im Höhepunkt "Lllaao3", für das ich gerne den Kopf in die größte Bassbox des Universums stecken möchte, während der Alien-Barkeeper mir einen Ketamin-Rucola-Smoothie mixt, wirkt "Luvaphy" einerseits wie eine Dehnungsübung für wilden Zeitgeist-Shit, andererseits baut es irgendwie neue Nervenbahnen ins Dachgeschoss. 

Man fühlt sich hinterher ein ganz kleines bisschen schlauer.




Erschienen auf INDEX: Records, 2024.


17.12.2024

Uff, 2024. Doppel-Uff, 2025.




Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Allesdazwischen,

Der alljährliche Rückblick auf das abgelaufene Musikjahr fällt für 2024 ein bisschen aus dem gewohnten Rahmen. Das liegt vor allem an den Planungen für den Blog für 2025, und dafür lasse ich jetzt die Katze aus dem Sack, andernfalls sitze ich auf der Idee für die nächsten 340 Jahre. Und vermutlich noch länger.

Wenn wir also das Jahr 2024 betriebsbedingt abgehakt haben, beginnt die große Party mit dem ultimativen Listenoverkill. 

Die 200 besten Alben der 1990er Jahre.

Ich wünschte, die folgende Einlassung wäre eine Übertreibung, aber leider ist's die Wahrheit: ich arbeite an dieser Aufstellung seit nicht weniger als zwei Jahren und es war ein absoluter pain in the ass. Eigentlich ist es das noch immer. Für jemanden, der sich praktisch nie entscheiden kann und wirklich jedes noch so irrelevante Detail achthhundert Mal überdenkt, reflektiert, wieder hin-, her- und umschmeißt, für den der so oft zitierte "Mut zur Lücke" dann eben doch nur ein billiges Lippenbekenntnis ist, weil die Panik einsetzt, irgendeine Platte am Ende doch vergessen oder, schlimmer noch, nicht ausreichend gewürdigt zu haben, für den ungekrönten König der Prokrastination, ist diese Übung ein komplettes Himmelfahrtskommando. Und ich rede hier wohlgemerkt nur vom Auswahlprozess für die in Frage kommenden Platten - alleine für den Gedanken, schlussendlich noch all das für die jeweiligen Reviews in Worte zu fassen, brauche ich sehr wahrscheinlich die Unterstützung von einer starken Fliegenpilz-Stechapfelterrine (mit viel Maggi).

Jedenfalls, das ist die Planung für das Jahr 2025. Und um all das nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen (und wir alle wissen jetzt schon, wie arg das aus dem Ruder laufen wird, hurra!), kann ich nicht wie in den vorangegangenen Jahren im Mai 2025 mit meiner Lieblingsplatte des Jahres 2024 um die Ecke kommen. Also, ich kann natürlich schon, denn wen bitte interessiert der ganze Scheiß hier denn wirklich - I mean, come on?! Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben: ich will nicht. Daher werden sowohl die Kommentare als auch die Postingzyklen zu den 2024er Platten kürzer als gewohnt ausfallen, damit wir damit spätestens im Januar des nächsten Jahres damit durch sind und gemeinsam tief Luft für das holen können, was danach folgen wird: die 200 besten Platten der 1990er Jahre. 

Jetzt hab' ich es hier (unter Schmerzen!) reingeschrieben, jetzt muss es auch so (unter Schmerzen!) passieren. 

It's all fun and games.

Wir lesen uns!