24.08.2015

I'm A Loser




DORIS DUKE - I'M A LOSER


Vergessene Soulperle, Teil 331. Es sind schon verrückte Zeiten für Musikfreunde, und ich kann in dieser Hinsicht auch nicht sagen, dass meine Faszination für die versunkenen Schätze längst vergangener Zeiten einerseits und über die mittels findiger und rühriger Labels gesteuerten (Wieder)Veröffentlichungen dieser obskuren Musik andererseits über die Jahre kleiner geworden ist. 

Ich glaube, es sind die Geschichten um diese Art Musik, diese Platten und diese Musiker, die mich so magisch anziehen. Wie oft sprach ich mit Freund Simon über die großen Schallplattenarchive, über die in den letzten Jahren durchaus regelmäßig zu lesen war - wegen der Tragik ganz besonders unvergessen eine der größten Sammlungen der Welt von Paul Mawhinney:


 


oder die alle Dimensionen sprengende Sammlung des Brasilianers Zero Freitas, der tatsächlich im Jahr 2013 die Reste von Mawhinneys Sammlung aufkaufte und mit sage und schreibe acht Riesentrucks abholen ließ. 

Und wir sprachen darüber, dass jedes Album, jede Single, jeder Song, jeder Ton eine Geschichte hat: für all das haben Menschen ihr innerstes nach außen gekehrt, haben überlegt, komponiert, getextet, Instrumente gespielt  - sie haben sich um die Aufnahmen gekümmert, Produzenten haben ihre Visionen mit einfließen lassen, Künstler haben Artwork und Cover gemalt und gezeichnet, Fotografen haben Bilder geschossen, Plattenlabels, Vertriebe und Agenten sorgten sich um die Vermarktung. Das steht immer hinter jeder Musik, und das alleine ist oft Faszination genug. Mawhinney sagt es in dem oben verlinkten Video: über 80% dessen, was er in seinem Archiv führt, gab es nicht mal regulär zu kaufen - es war unbekannt und es ist möglicherweise bis heute unbekannt. Jetzt kann man sicher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und schockiert "Wie viel Musik das sein muss!" rufen. Wie viele Geschichten das sind können wir nicht mal erahnen. 

Es kann einem natürlich auch alles scheißegal sein.

Auch hinter "I'm A Loser" steht eine Geschichte. Die Geschichte einer Frau, die ihr Leben lang versuchte, mit ihrer Musik erfolgreich zu sein. Im Jahr 1945 geboren als Doris Curry in Georgia, nahm sie unter mehreren unterschiedlichen Namen Singles und Alben auf, produzierte Demos für und mit Motown Records, die bis heute unveröffentlicht blieben, war als Backgroundsängerin auf Nina Simones 1969 in Deutschland aufgenommenem "A Very Rare Evening"-Album zu hören. Und verschwand spätestens ab der letzten bekannten Single "I'll Make A Sweet Man (Out Of You)", 1981 auf dem Bostoner Beantown Label veröffentlicht, in der Versenkung. 

Ihr 1969 unter der Regie von Jerry 'Swamp Dogg' Williams Jr. inszeniertes "I'm A Loser" Album gilt heute unter vielen Genre- und Szenekennern (u.a. dem britischen Musikjournalisten Dave Godin, † 2004) als die beste Deep Soul Platte aller Zeiten. Im Vordergrund steht die große, einnehmende und überzeugende Soulstimme von Duke und die für das Jahr 1969 überraschend schwermütigen Texte über eine gebrochene Persönlichkeit, ihre Selbstaufgabe und ihre Unterdrückung. Keine happy Tanzmusik, fellows! Die Backingband agiert dafür bis auf wenige Ausnahmen eher zurückgezogen und liefert der Sängerin damit viel Freiraum. 

Und da ist sie wieder, meine Faszination. Weiß die Frau - sofern sie überhaupt noch lebt -, dass ihre mittlerweile 46 Jahre alte Platte wiederveröffentlicht wurde, damit ein paar unverbesserliche Musiknerds die Arme und die Herzen zum virtuellen Himmel erheben und der Internetgemeinde die Ohren darüber vollheulen, wie brilliant ihre Musik ist? 

Wie geht es ihr heute? Wie lebt sie? Wo lebt sie? Singt sie noch? 

Bevor es nun zu Bild-Wagneresk und damit unverzeihlich balla-balla wird: es heißt, "I'm A Loser" sollte in jeder guten Plattensammlung stehen. Wegen Geschichte. Und wegen Geschichten. 

Und vielleicht auch deshalb, damit man diese Geschichte weitererzählen kann. 





Original erschienen auf Canyon Records, 1969.
Re-Issue (diese Ausgabe) erschienen auf Kent Records, 2010.

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