17.04.2015

"Wir haben kein Informationsdefizit, wir haben ein Aktionsdefizit." - Gedanken zum Record Store Day 2015 - Teil 2





Alles, was ich im letzten Jahr zum Record Store Day, dieser gigantischen Cash Cow für Majorlabels geschrieben hatte, ist nicht nur nachwievor gültig, es bleibt sogar, weil nicht davon auszugehen ist, dass sich das Rad in den nächsten Jahren langsamer drehen wird, auf absehbare Zeit relevant:

3,40qm zum Record Store Day 2014 

"Was als weithin unschuldiges Konzept zur Rettung der lokalen und unabhängigen Plattenläden begann, ist mittlerweile und zum großen Teil eine von Majorlabels gekaperte und durchkommerzialisierte Peinlichkeit geworden, die die für gewöhnlich mit Spinnweben versehenen Kartoffelpupser aus ihren 40qm Heimat herauslockt, damit die neuen Sammlerstücke bald einziehen dürfen. 500 vermeintlich exklusive Veröffentlichungen waren es im Jahr 2014, und mal ganz davon abgesehen, dass man sich schon fragt, wer diesen ganzen Scheiß mit Reis eigentlich kaufen soll(...)."

"So groß die Faszination für Schallplatten und das Abtauchen in die Parallelwelt Plattenladen auch sein mögen, so unsinnig ist mittlerweile der ursprüngliche Ansatz geworden. Der Record Store Day fördert nicht den Erhalt lokaler Plattenhändler, er fördert viel mehr den Sammel- und Exklusivitätswahn, der seit dem Vinyl-Revival so oder so schon jeden 2nd Hand Dealer in Beschlag genommen hat. Dem man allerdings im Zweifelsfall keinen Vorwurf machen kann: wenn jemand einen dreistelligen Eurobetrag für eine Schallplatte bezahlen mag, die er an anderer Stelle auch für 20 Euro bekommen kann, dann ist das nicht seine Schuld."


Wie jedes Jahr gibt es einsame Rufer in der Wüste, die uns mitteilen, dass die Entwicklung des Konzepts nicht nur Milch und Honig für alle Beteiligten bereithält. In diesem Jahr fanden sich zwei (!) Independent Labels aus England, die die weiße Flagge hissen - vor allem wegen der entstehenden Blockade der Schallplattenpresswerke. Die Pressen laufen schon ohne den Record Store Day Tag und Nacht, in den drei Monaten vor dem großen Tag haben sich mittlerweile die zahlungskräftigen und geschäftskritischen Major Labels mit breiten Ellenbogen vor die Türen der Presswerke platziert, um Tausende Bruce Springsteen Reissues pressen zu lassen. Die kleinen unabhängigen Indielabels gucken derweil in die Röhre, denn die Aufträge für ihre Bands werden den Majorbestellungen untergeordnet. 

Zuerst machen wir 20.000 Mal "Born In The USA", dann kommt ihr an die Reihe.


The result will leave small labels such as Sonic Cathedral, from London, and Bristol-based Howling Owl Records unable to compete, “so we won’t compete”, they said, adding: “Record Store Day really isn’t fun, and it’s certainly not beneficial to small, backs-to-the-wall labels.”

A combined statement from the two revealed plans to release a split single and, rather than limiting it to the one day, one copy would be released every day for 365 days –  as “every day should be Record Store Day”.

“This is not a protest against record shops,” they said, or even a protest against the annual day itself. “It’s what Record Store Day has become: just another event in the music industry circus.”

Auf der Seite http://www.recordstoredayisdying.com/ ist das inoffizielle offizielle Statement hinterlegt.


Es geht weiter:

If it’s a protest against anything, it’s what Record Store Day has become: just another event in the annual music industry circus that begins with the BBC Sound Of… list and ends with the Mercury Prize, co-opted by major labels and used as another marketing stepping stone, like an appearance on ‘Later… With Jools Holland’ or bagging the sunset slot at Glasto. If you want to queue up from the early hours of April 18 to buy Mumford & Sons’ 7” or an overpriced Noel Gallagher 12” to flip on eBay, then fine, but what the hell has it got to do with us? U2 have already shat their album into our iTunes, why should they constipate the world’s pressing plants with it too? And there’s a picture disc of A-ha’s ‘Take On Me’ as well. Of course it’s a fine pop single, but there’s bound to be a copy in the Oxfam around the corner.

No, because of the rules and regulations (minimum pressing amounts, no direct to customer sales, blah blah blah) Record Store Day really isn’t fun, and it’s certainly not beneficial to small, backs to the wall labels like Sonic Cathedral and Howling Owl. But we are still affected by it. Badly. There are currently no copies of Spectres’ album Dying on vinyl in the shops because the repress is somewhere towards the back of the queue after some Foo Fighters studio scrapings, a host of EPs by The 1975 and about a million heavyweight ‘heritage rock’ reissues that no-one really needs. Less Cheap Trick, more bloody expensive con.


Womit alles gesagt ist.

Fast alles. Als Simon und ich uns vergangene Woche in Kölns Plattenläden umschauten und mitlauschten, wie der Verkäufer in einem größeren, durchaus bekannten Plattenladen einem Pärchen mitteilte, dass die von ihnen bestellte und so arg gewünschte 7-Inch Single um die 40 Euro kosten wird, und den daraufhin mit einem erstaunten Gesichtsausdruck ausgestatteten Musikfreunden erläuterte, der Record Store Day habe sich eher zu einem Major Label Day entwickelt, weil die Damen und Herren von der Musikindustrie für diesen Tag mittlerweile nahezu jeden Preis aufrufen könnten - wenn die Platte nur angemessen als rar und damit exklusiv vermarktet wird, wird jeder Preis bezahlt.

In conclusio: ich werde den Zirkus in diesem Jahr nicht mitmachen. Es steht indes zu befürchten, dass ich auch trotz dieser Entscheidung danach noch weiteratmen und ein total prima Leben haben werde.

Aber man muss auch mal in die Aktion kommen. Selbst wenn es nur darum geht, ebenjene zu verweigern.


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